L. Verhältnis zum Schuldrecht BT (2024)

Die §§ 327 ff. BGB gelten unabhängig vom Vertragstypus für alle Verbraucherverträge über die Bereitstellung von digitalen Produkten.

I. (Verbrauchsgüter-) Kaufvertrag

Die Frage, ob die §§ 327 ff. BGB oder die §§ 474 ff. BGB Anwendung finden, richtet sich nach der Art des digitalen Produkts.

1. Körperlicher Datenträger als Träger digitaler Inhalte, § 475a I iVm § 327 V BGB

Der § 475a und der § 327 V BGB erklären die §§ 327 ff. BGB für den Kauf von digitalen Produkten innerhalb eines Verbrauchsgüterkaufvertrages für anwendbar, sofern der körperliche Datenträger ausschließlich als Träger digitaler Inhalte genutzt wird. Es sind folglich nach § 475a I S. 2 iVm § 327 V (lesen!) BGB die §§ 327 ff. BGB anwendbar.

2. Ware mit digitalen Elementen, § 475b I iVm § 327a III BGB

Nach den § 475b I iVm § 327a III BGB sind – neben dem Kaufrecht nach § 433 ff. BGB – die §§ 475b, c BGB ergänzend auf Kaufverträge über eine Ware anzuwenden, die in irgendeiner Weise digitale Produkte enthalten oder derart mit ihnen verbunden sind, sodass die Ware ihre Funktion ohne diese digitalen Elemente nicht erfüllen kann. Bei solchen Waren mit digitalen Elementen handelt es sich z. B. um einen PC mit entsprechendem Betriebssystem. Es sind folglich bewegliche Sachen, die ohne das in ihnen angelegte digitale Produkt ihre Funktion nicht erfüllen könnten. Die §§ 327 ff. BGB finden hier gem. § 327a III BGB keine Anwendung.

Die §§ 475b und c BGB tragen der Besonderheit der digitalen Produkte Rechnung. Der § 475b BGB ergänzt primär den Mangelbegriff des § 434 BGB bzgl. des digitalen Produkts. Der § 475c BGB betrifft den Sachmangel einer Sache mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente.

3. Ware mit digitalen Produkten, § 475a II iVm § 327a II BGB

Funktioniert die Sache auch ohne das digitale Element, erklären der § 475a II S. 2 BGB und der § 327a II BGB die Vorschriften des Kaufrechts für denjenigen Bestandteil des Vertrages, welcher das digitale Produkt betrifft, für unanwendbar und bestimmt stattdessen die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB. Vorwiegend handelt es sich hierbei um Produkte wie z. B. der Smart-TV oder smarter Kühlschrank/Drucker, die den Waren-/Patronenstand ermitteln und ggf. nachbestellen.

Für diese finden die §§ 327 ff. BGB Anwendung, da die Produkte auch ohne das digitale Element benutzt werden können. Die Mängelrechte nach §§ 327 ff. BGB beziehen sich nach § 327a II S. 2 BGB jedoch allein auf denjenigen Bestandteil des Vertrages, der die digitalen Produkte betrifft, sodass hinsichtlich Mängel an der beweglichen Sache selbst wieder die §§ 434 ff. BGB eingreifen.

II. Rechtskauf

Bei digitalen Produkten, die ohne bzw. unabhängig von einer beweglichen Sache gekauft werden (z. B. Software) ist das Kaufrecht anwendbar, wird aber teilweise durch die §§ 327 ff. BGB nach § 453 I S. 3 BGB als speziellere Regelungen verdrängt oder modifiziert.

Es handelt sich bei den digitalen Produkten um einen „sonstigen Gegenstand“ iSd § 453 I S. 1 BGB. Die neu eingefügten Sätze 2 und 3 im ersten Absatz schließen die Anwendbarkeit mehrerer kaufrechtlicher Vorschriften aus (lesen!). Hinsichtlich der Übergabe (§ 433 I S. 1 BGB) und der Leistungszeit (§ 474 I S. 1 BGB) gelten gem. § 453 I S. 3 BGB die spezielleren §§ 327, 327b BGB.

Kaufrechtliche Vorschriften: Nach § 453 I S. 3 BGB
statt § 433 I S. 1, § 475 I BGB Über § 453 I S. 2 Nr. 1, S. 3 BGB sind die §§ 327, 327b BGB anzuwenden
§§ 433 I S. 2, 434 – 442 BGB
§§ 475 III S. 1, IV – VI, 476, 477 BGB
gem. § 453 I S. 2 Nr. 2 BGB nicht anwendbar!
statt §§ 434, 435 BGB Über § 453 I S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB sind die §§ 327e – g BGB anzuwenden
statt §§ 437 – 442 BGB Über § 453 I S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB sind die §§ 327i – n BGB anzuwenden

III. Schenkung digitaler Produkte, § 516a BGB

Auf einen Verbrauchervertrag, bei dem der Unternehmer dem Verbraucher ein digitales Produkt oder einen körperlichen Datenträger, der ausschließlich als Datenträger dient, schenkt und der Verbraucher dem Unternehmer aufgrund dessen personenbezogene Daten nach Maßgabe des § 327 III bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet, greift der § 516a I BGB ein. Die Voraussetzungen müssen kumulativ für die Anwendbarkeit des § 5126a BGB vorliegen. Dabei ist zu beachten, dass die Bereitstellung der personenbezogenen Daten iSd § 327 III BGB nicht die Gegenleistung für das digitale Produkt ist, da insofern keine Schenkung mehr vorliegt, sondern ein Kaufvertrag. Es bedarf insoweit der Auslegung. Dem § 516a I S. 1 BGB zu Folge sind die §§ 523 und 524 BGB über die Haftung des Schenkers für Rechts- und Sachmängel nicht anzuwenden, sondern es greifen nach § 516a I S. 2 BGB die §§ 327d ff. BGB. Nach § 516a II BGB ist der § 516a I BGB auch auf Verträge nach § 327a II BGB auf den Bestandteil des Vertrages anwendbar, der die digitalen Produkte betrifft.

IV. Miete digitaler Produkte, § 578b BGB

Die Vorschriften über die Miete von Sachen sind auf die Miete digitaler Produkte entsprechend anwendbar gem. § 548a BGB und dies unabhängig davon, ob es sich um einen Verbrauchervertrag oder einen rein unternehmerischen Vertrag handelt.

Auf einen Verbrauchervertrag, bei dem der Unternehmer sich verpflichtet, dem Verbraucher digitale Produkte zu vermieten, sind jedoch die Vorschriften § 535 I, S. 2, 536- 536d BGB – d.h. die Rechte bei Mängeln – gem. § 578b I S. 1 Nr. 1 BGB nicht anwendbar, ebenso wenig sind die § 543 II S. 1, Nr. 1 und IV BGB über die Rechte bei unterbliebener Bereitstellung anwendbar. Es sind nach § 578b I S. 2 BGB die §§ 327e ff. BGB anzuwenden. Dies gilt nicht für einen Vertrag über die Bereitstellung eines körperlichen Datenträgers, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, gem. § 578b I S. 3 BGB.

Der § 578b II BGB erklärt die §§ 546- 548 BGB für nicht anwendbar, sofern es um die unterbliebene Bereitstellung, § 327c BGB, der Mangelhaftigkeit, § 327m BGB, oder Änderung, § 327r III, IV BGB, des digitalen Produktes geht.

Tipp: Schreibt euch in Fällen des Mietrechts erst einmal alle anwendbaren Normen aus dem Inhaltsverzeichnis des Gesetzes auf einem extra Zettel heraus! Überprüft iR eurer Prüfung dann immer, ob die Norm, die ihr gerade prüft bzw. prüfen wollt, auf eurem Zettel steht. Tut sie das nicht, seid ihr falsch abgebogen oder habt etwas übersehen!

Nach § 578b III BGB sind auch Sachen, die ein digitales Produkt enthalten oder mit ihm verbunden sind, von dem § 578b I BGB erfasst.

Der § 578b IV BGB erfasst den Fall eines Vertrages zwischen Unternehmern, der einer Bereitstellung digitaler Produkte aufgrund eines Verbrauchervertrages nach Absatz 1 oder Absatz 3 dient. Es handelt sich um einen Fall des Unternehmerregresses innerhalb eines Untermietverhältnisses. Nach § 578b IV S. 1 BGB ist der § 536a II BGB über den Anspruch des Unternehmers gegen den Vertriebspartner auf Ersatz von denjenigen Aufwendungen nicht anzuwenden, die er im Verhältnis zum Verbraucher nach § 327l BGB zu tragen hatte. Nach § 578b IV S. 2 BGB sind für den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen die §§ 327 ff. unter Berücksichtigung der §§ 327 t, u BGB anzuwenden (siehe oben Unternehmerregress).

Hinsichtlich der Kündigungsfrist erklärt der § 580 III S. 2 BGB, dass die Vorschriften über die Beendigung von Verbraucherverträgen über digitale Produkte unberührt bleiben. Er stellt insofern klar, dass der § 580a III S. 1 BGB nicht abschließend ist und eine Vertragsbeendigung ebenfalls nach § 327m I BGB möglich ist.

V. Dienstvertrag über digitale Dienstleistungen, § 620 IV BGB

Die einzige (neue) Besonderheit ist, dass der Verbrauchervertrag über eine digitale Dienstleistung auch (d.h. neben §§ 620 I, II, 621 BGB) nach Maßgabe der §§ 327c, 327m und 327r III, IV BGB beendet werden kann, gem. § 620 IV BGB. Weitere Neuregelungen bedurfte es nicht, da das Dienstvertragsrecht kein eigenes Mängelrecht besitzt. Es sind insoweit die allgemeinen Vorschriften anzuwenden. Die §§ 327 ff. BGB finden Anwendung, wenn der Gegenstand des Dienstvertrages sich auf die Erbringung digitaler Dienstleistungen bezieht.

VI. Werkvertrag und Werklieferungsvertrag, § 650 BGB

Der § 650 BGB wurde um Regelungen über das Verhältnis zu den §§ 327 ff. BGB ergänzt. Dies war insofern erforderlich, da der § 327 IV BGB die §§ 327 ff. BGB auch auf Verbraucherverträge anwendbar erklärt, die digitale Produkte zum Gegenstand haben, die nach den Spezifikationen des Verbrauchers entwickelt wurden. Die Verträge sind somit als Werkverträge einzuordnen.

Der § 650 II S. 1 BGB erklärt die Nichtanwendbarkeit der §§ 633 -639 BGB (sondern §§ 327d -n BGB) über die Rechte bei Mängeln sowie des § 640 BGB (kein Gefahrübergang, sondern Vermutung § 327k BGB) über die Abnahme. Dies gilt nur, sofern der Unternehmer sich dazu verpflichtet, ein digitales Produkt herzustellen (Nr. 1), einen Erfolg durch eine digitale Dienstleistung herbeizuführen (Nr. 2) oder einen körperlichen Datenträger herzustellen, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient (Nr. 3). Nach § 650 II S. 2 BGB treten insoweit die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB an deren Stelle. Die Vorschriften der §§ 641, 644 und 645 BGB werden insoweit nach § 650 II S. 3 BGB nur dahingehend modifiziert, dass statt der Abnahme die Bereitstellung des digitalen Produktes den maßgeblichen Zeitpunkt darstellt, sie bleiben aber anwendbar.

Werklieferungsverträge, bei dem sich der Unternehmer gegenüber einem Verbraucher dazu verpflichtet, einen herzustellenden körperlichen Datenträger zu liefern, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, werden vom § 650 III iVm § 327 V BGB erfasst. Nach diesem sind – abweichend von § 650 I S. 1 und S. 2 BGB – nicht die §§ 433 I, S. 2, 434 -442, 475 III S. 1, IV –VI und §§ 476, 477 BGB anwendbar, sondern an deren Stelle treten die §§ 327d ff. BGB.

Der § 650 IV BGB regelt abschließend das Konkurrenzverhältnis der anzuwendenden Normen zum einen hinsichtlich Verbraucherverträge über die Herstellung einer Sache, die ein digitales Produkt enthält oder mit ihr verbunden ist, d.h. einem Werkvertrag nach § 650 IV S. 1 iVm § 327a II BGB, und zum anderen hinsichtlich Verträge über die Lieferung einer herzustellenden Sache, die ein digitales Produkt enthält oder mit ihr verbunden ist, d.h. einem Werklieferungsvertrag nach § 650 IV S. 2 iVm § 327a II BGB. Ein Werkvertrag nach § 650 IV S. 1 BGB ist nicht von dem Anwendungsausschluss des § 650 II BGB erfasst. Dies gilt nur für die Bestandteile des Vertrages, die das digitale Produkt betreffen, gem. § 327a II S. 2 BGB, während für die Sache selbst wieder die §§ 633 ff. BGB gelten (also wie im Kaufrecht!).

Für einen Werklieferungsvertrag nach § 650 IV S. 2 BGB gilt der Anwendungsausschluss nach Absatz 3 entsprechend für diejenigen Bestandteile des Vertrages, welche die digitalen Produkte betreffen, während für die Sache selbst hier die kaufvertraglichen Mängelrechte gem. §§ 650 I, 434 ff. BGB gelten.

  • Neues Schuldrecht - Gesetzesänderung im BGB ab dem 01.01.2022
    • Teil 1 – Das Haftungssystem im allgemeinen Schuldrecht
      • A. Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB
      • B. Nichtleistung der Primärpflicht
      • C. Schlechtleistung / Mängelhaftung
      • D. Nacherfüllung, §§ 327i Nr. 1, 327l BGB
      • E. Vertragsbeendigung, §§ 327i Nr. 2, 1. Var., 327m BGB
      • F. Minderung, §§ 327i Nr. 2, 2. Alt., 327n BGB
      • G. Schadensersatz, § 327i Nr. 3 BGB
      • H. Verjährung, § 327j BGB
      • I. Änderung an digitalen Produkten, § 327r BGB
      • J. Abweichende Vereinbarungen, § 327s BGB
      • K. Der Unternehmerregress
      • L. Verhältnis zum Schuldrecht BT
    • Teil 2 – Andere Änderungen im allgemeinen Schuldrecht
      • A. Allgemeine Informationspflichten auf Online-Marktplätzen, § 312k BGB
      • B. Änderung des Widerrufsrechts
      • C. Änderung der Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und von Fernabsatzverträgen
      • D. Abtretungsverbot, § 398 S. 1 BGB
      • E. Kündigungsbutton, gem. § 312k BGB (ab 01.07.2022)
    • Teil 3 – Änderungen im besonderen Schuldrecht
      • A. Der Mangelbegriff
      • B. Kauf einer Ware mit digitalen Inhalt
      • C. Andere Änderungen innerhalb des Kaufrechts
  • ‹ K. Der Unternehmerregress
  • nach oben
  • Teil 2 – Andere Änderungen im allgemeinen Schuldrecht ›

L. Verhältnis zum Schuldrecht BT (2024)

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